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Editorial

[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 13 (2008), Ausgabe 1]



Das Konzept „Soziale Netzwerke“ hat in den letzten 25 Jahren eine beachtliche Rezeption und Weiterentwicklung in der deutschsprachigen Psychologie erfahren. Bernd Röhrle hat diese Entwicklung maßgeblich mitbestimmt. Sein 60. Geburtstag im September 2007 war für uns Anlass, ausgehend von einem Klassiker – seinem frühen Text „Zur Ökologie sozialer Stützsysteme“ von 1985 – aufzuzeigen, in welche Richtungen sich die Beschäftigung mit den Konzepten der sozialen Unterstützung und Netzwerken in der Gemeindepsychologie entwickelt hat.

Obwohl  der Text sich primär auf das Thema „soziale Unterstützung“ bezieht, hat er vielfältige Anregungen auch für andere Aspekte psychologischer Netzwerkforschung geboten.

Mit zahlreichen weiteren Beiträgen hat Bernd Röhrle die gemeindepsychologisch geprägte Netzwerkforschung maßgeblich beeinflusst. So dokumentiert er beispielsweise 1994 in „Soziale Netzwerke und soziale Unterstützung“ seine meta-analytischen Auswertungen, die die präventive Wirkung einer Integration in soziale Netzwerke untersuchten. In vielen Texten zur psychologischen Netzwerkforschung wird seit Mitte der achtziger Jahre auf Bernd Röhrle’s Arbeiten Bezug genommen.

Der Begriff „Netzwerk“ hat sich inzwischen zu einem großen „Containerbegriff“ entwickelt, der einen Teil seiner Attraktivität auch aus der Erosion tradierter Formen der Vergemeinschaftung zu gewinnen scheint. Vor dem Hintergrund der Vielfalt des Netzwerkbegriffes wollen wir mit dieser Ausgabe nicht einen umfassenden Überblick leisten, sondern einige Entwicklungslinien der (gemeinde-)psychologischen Netzwerkforschung und der psychosozialen Arbeit in, mit und an Netzwerken aufgreifen.

In der psychologisch orientierten Netzwerkforschung hatten von Beginn an die Fragen nach der Unterstützung durch soziale Netzwerke für die Bewältigung des Alltags und von krisenhaften Ereignissen einen hohen Stellenwert. Damit hat sich Bernd Röhrle bereits 1985 auseinandergesetzt, weshalb wir den Originalartikel in diesem Heft als Klassiker erneut veröffentlichen und den weiteren Beiträgen voranstellen. Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterBernd Röhrles Beitrag greift diese Perspektive psychologische Netzwerkforschung auf und strukturiert die damaligen Ansätze zur Erfassung der sozialen Unterstützung durch Netzwerke mit dem Ziel psychologisches Wissen für Forschung und Praxis weiterzuentwickeln.

Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterJan Marbach analysiert den DJI-Familiensurvey daraufhin, welchen Einfluss private und öffentlich gestaltete soziale Netzwerke auf die Aktionsräume von älteren Menschen haben. Soziale Unterstützung wird hierbei nicht so sehr auf die Bewältigung von Krisen oder krisenhaften Ereignissen bezogen, sondern vielmehr auf ihr Potential Lebensqualität zu erhalten. Seine Befunde lassen sich als eine Ermutigung für den Ausbau ambulanter und auf Netzwerkförderung ausgerichteter Angebote für Senioren lesen.

Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterFritz Bremer, Michael Grünberg, Anja Musculus-Viehöfer und Bärbel Vogt beschreiben am Beispiel der sozial- und gemeindepsychiatrischen Arbeit von Brücke e.V. eine konkrete Anwendung des Netzwerkbegriffs und den Aufbau sozialer Unterstützung zusammen mit AdressatInnen der psychosozialen Praxis. Kritisch werfen die AutorInnen die Fragen auf, inwieweit psychisch erkrankte Menschen integriert in der Nachbarschaft leben und inwieweit die Arbeit von Brücke e.V. tatsächlich zu einer Integration beiträgt. Sie diskutieren damit eine klassische Frage der sozialen Arbeit vor dem Hintergrund veränderter gesellschaftlicher Rahmenbedingungen.

Eine weitere wichtige Dimension psychologischer Netzwerkforschung ist die Bedeutung sozialer Netzwerke für die Identitätsbildung und -entwicklung. Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterFlorian Straus verdeutlicht in seinem Beitrag, wie die Einbettung in soziale Netzwerke die Identitätsbildung beeinflusst. Die Entwicklung der personalen und sozialen Identität beschreibt er als Konstruktionsleistung in einem inter- und intrapersonellen Prozess, der durch soziale Netzwerke und Anerkennung vermittelt ist.

Die Vielfalt der mit der psychologischen Netzwerkforschung verbundenen Themen systematisiert Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterAnton-Rupert Laireiter in seinem Text „Soziales Netzwerk in der Psychologie“: Er stellt die wichtigsten Rezeptionsvarianten des Netzwerkbegriffs in der psychologischen Netzwerkforschung dar, analysiert das Konzept des Netzwerkbegriffs, um schließlich die zentralen konzeptuellen Aspekte der psychologischen Netzwerkforschung herauszuarbeiten.

Eine besondere Freude ist es uns, Öffnet einen internen Link im aktuellen FensterGert Sommer, einen langjährigen Freund, Kollegen und Weggefährten von Bernd Röhrle, für diese Ausgabe gewinnen zu können. Sein Beitrag zur Friedenspsychologie verdeutlicht die ethische Verantwortung psychologischer Forschung und die Anwendung ihrer Erkenntnisse. Dies gilt für den Umgang mit Konflikten ebenso wie für die Gefahr die Erkenntnisse sozialer Netzwerkforschung für eine perfektere Kolonialisierung von Lebenswelten zu nutzen.

Wir gratulieren Bernd Röhrle mit dieser Ausgabe ganz herzlich zu seinem 60. Geburtstag!


Christine Daiminger & Mike Seckinger
Die HeftherausgeberInnen



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