1-2023
1-2022
1-2021
1-2020
2-2019
1-2019
1-2018
1-2017
1-2016
2-2015
1-2015
2-2014
1-2014
1-2013
1-2012
1-2011
3-2010
2-2010
2-2009
1-2009
2-2008
1-2008
1-2007


Sie befinden sich hier: Ausgaben » 1-2010 » fg-1-2010_05

 

"Ein Eiertanz in zwei Richtungen" - Psychosozialer Arbeitsalltag als wacklige Angelegenheit

Johannes Schoof
[Forum Gemeindepsychologie, Jg. 15 (2010), Ausgabe 1]


Zusammenfassung

Die Metapher "Ein Eiertanz in zwei Richtungen" weckt viele Assoziationen; schwankend und unsicher ist es allemal. Es gilt die Balance zu halten. Und dies kann anstrengend sein. Auf dem heutigen Arbeitsmarkt scheint es ähnlich wackelig herzugehen. Die Angst vor Arbeitsplatzverlust ist allgegenwärtig. Wie sich der Arbeitsalltag für professionelle MitarbeiterInnen des Bereichs "berufliche Rehabilitation" der psychosozialen Einrichtung ajb gmbh in Berlin gestaltet, soll Thema dieser Untersuchung sein. Die Professionellen sehen sich mit einer Fülle von alten und neuen Arbeitsanforderungen konfrontiert, die in ihrem subjektiven Erleben unterschiedliche Quellen der Belastung sein können. Es wird daher der Frage nachgegangen, wie diese Belastungen genau aussehen und wahrgenommen werden. Dazu wurden mehrere Einzelinterviews (Witzel, 2000) mit MitarbeiterInnen geführt und diese mit Hilfe qualitativer Verfahren nach der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967) und nach dem zirkulären Dekonstruieren (Jaeggi, Faas & Mruck, 1998) ausgewertet. In Bezugnahme auf psychologische und soziologische Thesen werden die Ergebnisse hier zusammenführend dargestellt und vor allem im Hinblick auf unser derzeitiges neoliberales Wirtschaftssystem diskutiert.

Schlüsselwörter: Belastung, Arbeit, berufliche Rehabilitation, psychosozial, neoliberal

Summary

"As Balancing On A Tumbling Egg" - Over The Insecureness In The Daily Work Of Psychosocial Professionals
"As balancing on a tumbling egg" symbolizes the metaphor for many associations. Some like insecurity or tremblingness. It doesn't matter how, but it is important to keep the balance. Efforts will be in need. The present labor market seems to be in an equal state. The fear of sudden unemployment is in general mind. Topic of this study is the daily work of professionals who care about the laboral rehabilitation of young adults who suffer from mental illness. In their work for the psycho-social institution ajb gmbh in Berlin the professionals are confronted with different requirements which can, in consequence, provoke individual stress. Questionnaire is to examinate the perception of these work-related feelings. The qualitative evaluation process is based on personal interviews (Witzel, 2000) with the professionals and is related on the Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967) and "Zirkuläres Dekonstruieren" (Jaeggi, Faas & Mruck, 1998). Referring to psychological and sociological approaches the results will be discussed under the influence of the neoliberal system.

Key words: stress, labor, laboral rehabilitation, psycho- social, neoliberalism

1. Wandel der Arbeitsbedingungen

Angesichts der derzeitigen Wirtschaftskrise und des Zusammenbruchs des Bankensystems sehen sich die heutigen Generationen von Arbeitnehmern einem Berg von Anforderungen ausgesetzt, der ihnen immense Kraftanstrengungen abverlangt. Das Ausmaß der (Negativ-) Entwicklung scheint entgegen beschwichtigender Regulierungsmaßnahmen durch staatliche Institutionen weder kontrollierbar, noch kalkulierbar. Auf verschiedensten politischen und gesellschaftlichen Ebenen werden hitzige Debatten über die katastrophalen gesellschaftlichen Folgen eines neoliberalen Systems geführt, das sich jahrzehntelang der Profitmaximierung und Produktionsausweitung verschrieben hat. Der allgemeine Unmut über politisches Versagen zieht sich durch alle Bereiche gesellschaftlichen Lebens. Schon vor über zwanzig Jahren hat Beck (1986) den Begriff der "Risikogesellschaft" geprägt, in der das Individuum immer weniger die Möglichkeit hat, sich an traditionellen Vorbildern der Lebensbewältigung, respektive der Bewältigung im Arbeitsleben zu orientieren (vgl. v. Kardoff & Ohlbrecht, 2006). Der rasende Wandel und die omnipräsente Unsicherheit auf dem Arbeitsmarkt scheinen die Entwicklung von Bewältigungsprozessen des Individuums in jeder Hinsicht zu überfordern.

Die Angst vor Arbeitsplatzverlust durch Personalabbau ist mittlerweile allgegenwärtig und gehört zum Erleben des Einzelnen. Der damit einhergehende innere psychische Druck steigt daher weiter an1. Laut einer Emnid-Umfrage aus dem Jahre 2007 empfinden 89,7 % der Deutschen den sozialen Abstieg als größte Bedrohung (vgl. Herrmann, 2007).

In Bezug auf die Gesundheit in der Bevölkerung wird prognostiziert, dass bis zum Jahr 2020 Depressionen und koronare Herzerkrankungen zu den weltweit führenden Krankheitsbildern zählen werden; verursacht vor allem durch zunehmenden Arbeitsstress (vgl. Siegrist, 2007). Diese Entwicklung zieht sich durch alle Bereiche des Arbeitsmarktes. Berufe in der psychosozialen Praxis und Versorgung bilden da keine Ausnahme2. Besonders in diesem Arbeitssektor, zu dessen Hauptaufgaben die Rehabilitation und die Sicherung der Teilhabe am Arbeitsleben und am gesellschaftlichen Leben psychisch erkrankter Menschen zählen, ist der Druck größer geworden3. Es werden immer weniger Stellen mit Aussicht auf feste unbefristete Arbeitsverträge ausgeschrieben. Der Anteil von Teilzeit4- und Honorarstellen, sowie von Leasing- oder Leiharbeit ist dagegen exorbitant angestiegen (Eichinger, 2007).

In den letzten 20 Jahren hat sich die Sozialpolitik in Deutschland stetig umgestaltet - im Sinne einer Näherung an neoliberale Grundprinzipien, die mit einem wachsenden Konkurrenzdruck im Marktgeschehen einhergehen. Der Neoliberalismus an sich hat als oberstes Ziel eine weitgehende Selbststeuerung des Marktes. Soziale Gerechtigkeit wird mit (absoluter) Chancengleichheit gleichgesetzt. In der praktischen Umsetzung neoliberaler Umgestaltungsmaßnahmen gelten jedoch gerade soziale Gesichtspunkte, Umweltaspekte, Verpflichtungen zur Ausbildung und Aspekte der Stadt- und Landplanung als "Hindernisse" (vgl. Geisler, 2004, Bauer, 2007). Es entsteht der Eindruck, dass darwinistische Grundsätze, wie z.B. survival of the fittest, sich eher allgemeiner Beliebtheit erfreuen und im wirtschaftlichen Geschehen mehr Akzeptanz finden. Ein solches Wirtschaftssystem erscheint vordergründig erfolgreich, weil die damit verbundenen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und menschlichen Kosten weder in volkswirtschaftlichen Bilanzen, noch in der öffentlichen Wahrnehmung auftauchen. Nach der Meinung von Systemkritikern ist das Resultat, dass dadurch natürliche, wirtschaftliche und menschliche Ressourcen zunehmend vernichtet werden (vgl. Bauer, 2007). Im Hinblick auf die krisengeschüttelten Finanzmärkte präsentiert sich das neoliberale System in einem kränkelnden Zustand - was aktuell schwer zu bestreiten ist. Diese globale Erkrankung scheint sich über alle entscheidungskräftigen Instanzen hinweg aufrecht zu erhalten5. Insofern steht das heutige neoliberale System im starken Widerspruch zu Postulaten von gemäßigteren Liberalismustheoretikern, wie John Rawls, der soziale Gerechtigkeit nur dann in einem System verankert sieht, wenn sich "Vorteile für Jedermann ergeben, insbesondere für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft" (Rawls, 1994, S.32).

Angesichts dieses derzeitigen wirtschaftlichen Infernos befinden sich auch die Professionellen der psychosozialen Praxis in Deutschland in einer ambivalenten Lage, die nicht nur durch den Abbau wohlfahrtsstaatlicher Leistungen zu erklären ist, sondern sich zusätzlich durch eine qualitative Restrukturierung charakterisieren lässt (vgl. Eichinger, 2007). Auch die sozialen Institutionen gelten als Unternehmen, die auf den Strukturwandel und die Unsicherheit im Marktgeschehen mit einem hohen Niveau an Anpassungsfähigkeit reagieren sollten (vgl. Brödner, 2002).

Die entscheidende Frage lautet: Wie erleben professionelle MitarbeiterInnen einer psychosozialen Institution diesen Strukturwandel? Und weiterführend: Welche Denkmuster und Handlungskonzepte haben sich bei ihnen entwickelt? Vor allem im Hinblick auf ihren Anspruch, weiterhin qualitativ gute Beziehungsarbeit mit ihrem Klientel leisten zu wollen.

Innerhalb des Trägers ajb-Gmbh Berlin (=allgemeine gemeinnützige Jugendberatung und psychosoziale Rehabilitation), der u. a. einige Kontakt- und Beratungsstellen und therapeutisch betreute Wohngruppen (TWG) im Raum Berlin unterhält, wurden dazu MitarbeiterInnen des Teilbereichs "Berufliche Rehabilitation" interviewt. Zu Beginn wurde in der untersuchten Einrichtung mehrtägig hospitiert, um eine Tendenz möglicher Themenschwerpunkte erfahren und unter einem forschenden Fokus entwickeln zu können. Das Kennenlernen der Arbeitsstrukturen durch eine möglichst offene Haltung und von außen gerichtete Perspektive ließ genug Freiraum, um interne meist starre Arbeitsvorgänge in ihrer Komplexität und auf ihre Wechselwirkungen hin zu untersuchen. Im Laufe dieser Hospitation konnte der Eindruck gewonnen werden, dass die MitarbeiterInnen in den unterschiedlichen Arbeitssituationen wiederkehrende (Über-)Belastungen im Arbeitsprozess als zentrales Problem darstellten. Im Anschluss an die Hospitation wurden insgesamt vier MitarbeiterInnen unter Zuhilfenahme der qualitativen Vorgaben des problemzentrierten Interviews (Witzel, 2000) befragt. Die Interviewpartner hatten in der beruflichen Rehabilitation Betreuer- und Begleiterfunktionen in Berufsfeldern, wie Lager- und Handelslogistik, Medienkommunikation und -gestaltung und Wirtschaft und Verwaltung inne. Die für die berufliche Rehabilitation zuständige Sozialarbeiterin wurde ebenfalls interviewt. Diese Auswahl der Interviewpartner wurde mit dem Ziel getroffen, ein möglichst breites Arbeitsspektrum der Einrichtung abdecken und erfassen zu können. Die Dauer der einzelnen Interviews belief sich im Mittel auf eineinhalb Stunden. Ihre methodologische Auswertung erfolgte auf der Basis der Grounded Theory (Glaser & Strauss, 1967) und des zirkulären Dekonstruierens (Jaeggi, Faas & Mruck, 1998). Die gesamte qualitative Untersuchung wurde im Zeitraum von ca. acht Monaten durchgeführt6. Eine exemplarische Auswahl der relevanten Erkenntnisse wird hier vorgestellt.

2. Erleben des Strukturwandels in der psychosozialen Praxis

Die Professionellen der untersuchten psychosozialen Einrichtung sehen sich tagtäglich mit strukturellen Bedingungen konfrontiert, die ihnen zum einen eine "Alleinverantwortung"7 übertragen und von ihnen autonomes Handeln fordern und zum anderen den zeitlichen Rahmen der Arbeitsbedingungen so eng stecken, dass nur noch wenig Spielraum für individuelle Entfaltungsmöglichkeiten besteht. Im Folgenden soll ein Überblick gegeben werden, in welcher Art und Weise strukturelle Veränderungen der Arbeitswelt Einfluss auf das subjektive Erleben professioneller Helfer haben können.

2.1 Identifikation mit der Institution - Das Unternehmen im Mittelpunkt

Finanzielle Sorgen oder Engpässe werden aus unternehmerischer Sicht häufig durch Personalabbau ökonomisch geregelt - so auch im sozialen Dienstleistungssektor der beruflichen Rehabilitation. In der untersuchten Institution hat dies zur Folge, dass die Interviewten Gefühle der "Angst oder Unsicherheit um den Arbeitsplatz" empfinden. Diese ständigen inneren Begleiter erhöhen den "Druck" und den "Stress" und führen dazu, dass sich die MitarbeiterInnen zunehmend mit der wirtschaftlichen Lage ihrer Institution auseinandersetzen. Konkurrenzfähigkeit auf dem Markt und finanzielle Mittelknappheit werden so zum "Dauerbrenner" im subjektiven Empfinden der Professionellen. Aussagen wie "wenn es der Firma gut geht, geht es auch mir gut" oder "da ist wirklich das Unternehmen im Mittelpunkt" zeigen, dass sich die MitarbeiterInnen sehr stark mit der Institution und ihrer Arbeit identifizieren bzw. die institutionellen Belange in den Mittelpunkt stellen. Sie fühlen sich in ihrer Verantwortung der Institution verpflichtet und wollen durch ihr "Handeln das Unternehmen finanziell nicht noch mehr belasten, als es unbedingt notwendig ist". Institutionelle Belastungen werden von den MitarbeiterInnen in einer Intensität internalisiert, dass sie in der Konsequenz lieber ihre individuellen Bedürfnisse zu Gunsten der Institution reduzieren. Trotz enger zeitlicher Planung und Personalverknappung wird Mehr-Belastung durch Mehr-Arbeit für sich selbst in Kauf genommen, um der Institution möglichst wenig zur Last zu fallen und um zu zeigen, dass man als MitarbeiterIn dieser Institution gewillt ist, mehr zu leisten - bis hin zum Maximalen. Durch dieses Handeln wird dem Gefühl entgegengewirkt, ersetzbar oder austauschbar zu sein. Es entsteht die Rechtfertigung, dass man doch noch mehr arbeitet und noch mehr Energie opfert für das Weiterbestehen der Institution, so dass diese einen doch nicht einfach kündigen kann.

In diesem Zusammenhang können zentrale Leitsätze in der psychosozialen Rehabilitation, wie "im Sinne des Klienten" oder "für die Teilnehmer sorgen", um die Prämisse "im Sinne der Institution" erweitert werden.

Wenn der Schwerpunkt auf der Institution liegt, für die man sorgen muss und/ oder will, dann kommt die Frage auf, warum in den Interviews die Sorge der Institution um ihre MitarbeiterInnen nicht so deutlich erwähnt wird? Unter den Professionellen besteht ein starkes Verantwortungsbewusstsein für ihre Arbeit und Institution. Aus der Sicht der MitarbeiterInnen hat diese Identifikation mit der Institution ihre berechtigte Basis, da es nicht um reine Gewinnmaximierung geht. Die Institution ist gemeinnützig und hat es nicht auf "die dicken Reichtümer in der Schweiz" abgesehen; Fakt ist jedoch eine real existierende finanzielle Mittelknappheit, die belastend wirkt. Es hat den Anschein, dass durch diese Art der Identifikation der enge finanzielle Rahmen überlagert bzw. legitimiert wird, in dem andere Werte und die nicht-profitorientierte Gemeinnützigkeit des Trägers in den Vordergrund gestellt werden. Für die Interviewten ist diese Identifkation wichtig, um sich selbst für ihre Arbeit in einer gemeinnützigen und hilfeorientierten Organisation zu motivieren und die Wichtigkeit ihrer Arbeit in der Gesellschaft zu unterstreichen; sie erarbeiten sich ihren Respekt. Falls dies zutrifft, wirkt diese Art der Identifikation wie ein Filter, der belastende Elemente der Arbeit dämpft.

2.2 Zeitdruck in der Tagesplanung - Eine Zwitterstellung

Die obligatorische Mehr-Arbeit bedeutet für die MitarbeiterInnen auch, dass sie eine Vielzahl an organisatorisch-dokumentativen und begleitenden Funktionen abdecken müssen. Dabei kommt es zu Kollisionen unterschiedlicher Arbeitsprozesse, da viele Tätigkeiten oft parallel erledigt werden müssen8. Es entstehen häufig Situationen, in denen sie ihre Planung für den Arbeitsalltag neu gestalten müssen bzw. "diese Struktur gar nicht halten" können. Dieser Zustand wird "als sehr belastend" erlebt, weil Einflüsse durch andere Arbeitsprozesse (d.h. spontane terminelle Umstrukturierungen) in der Form "nicht berechenbar"9 sind. Dieser ständigen Wechsel zwischen den verschiedenen Aufgaben- und Anforderungsbereichen stellt die Professionellen vor erhebliche Entscheidungszwänge. In dem Begriff "Zwitterstellung" beschreiben die Professionellen ihre Rolle: Sie fühlen sich in der Erfüllung ihrer Anforderungen zwischen die Stühle gedrängt. Die richtige "Balance" zu halten und zu finden, stellt sich tagtäglich als neue Herausforderung dar. Es wird versucht, wo es nur geht, Arbeitsprozesse zu vereinen, um die vorhandenen Strukturen zu vereinfachen, letztendlich mit dem Ziel Entlastung für den Einzelnen zu schaffen. Eine Mitarbeiterin meint zu dieser Zielvorstellung: "Das ist schon ein großer Kraftspagat".

Dass mit dieser zusätzlichen Belastung durch Mehr-Arbeit und Engpässe in der strukturellen Planung Zeitdruck entsteht, ist nahe liegend. Zur Verdeutlichung dient folgender Interview-Auszug (Pro=Professionelle, IV= Interviewer):


Pro: "Dann ist es ganz häufig so, (...) dass ich um zwei Uhr feststelle, alles das, was ich machen wollte, dazu bin ich noch nicht gekommen."
IV: "Und du wolltest eigentlich um neun damit anfangen?"
Pro: "Ja, eigentlich um neun damit anfangen."


Die Zeitplanung in der angedachten Form ist nicht durchführbar, weil es andere Prozesse im Sinne von situativen Erfordernissen gibt, die von der eigentlichen Tätigkeit abhalten. Hier sehen wir, wie eng der zeitliche Rahmen ist und wie im gleichen Zuge diese Zeitverdichtung die Mitarbeiterin in ihrer Planung überfordert. Für den Arbeitsalltag der Professionellen ist dieser unbefriedigende Zustand "eher die Regel als die Ausnahme". Darüber hinaus fällt es den MitarbeiterInnen unter diesem Zeitdruck schwer, ihre eigenen Arbeitsprozesse angemessen zu reflektieren, um solche Arbeitstage, an denen die vorgenommene Struktur gebrochen wird, nicht die Regel werden zu lassen.

2.3 Arbeit mit Klienten - Auf gar keinen Fall vernachlässigen wollen

Hier sollen nur die Auswirkungen struktureller Bedingungen und der individuellen Anspruchshaltung seitens der Professionellen auf die Arbeit mit den Klienten diskutiert werden. Die Probleme, die in der Beziehungsgestaltung größtenteils von den Verhaltensweisen, Eigenschaften und psychischen Stimmungen der Klienten abhängen, werden hinten angestellt. Nach den Meinungen der Interviewten ist eine reflektierte Aufnahme der Beziehung zu den Klienten eine wesentliche Voraussetzung für die psychosoziale Arbeit. In der Datenauswertung hat sich gezeigt, dass unter den strukturellen organisatorischen Gegebenheiten diese Arbeit mit den Klienten leidet, obwohl die Relevanz dieser Arbeit in Sätzen, wie "im Sinne des Klienten", immer wieder betont wird.

Eine Mitarbeiterin drückt dies so aus: "Das geht (...) aufgrund der Kürze der Zeit leider flöten, dass man so intensiv an und mit dem Teilnehmer [= Klienten, Anm. d. Verf.] arbeiten kann". Die Zeit zerrinnt den Mitarbeitern zwischen ihren Fingern, ohne dass sie ihrem professionellen Anspruch, eine hohe Qualität und Intensität in der Arbeit mit den Klienten zu leisten, gerecht zu werden. Die Auswertung der Interviews hat ergeben, dass dieser Anspruch tief in der professionellen Haltung der MitarbeiterInnen verankert ist. Es gestaltet sich ihrer Meinung nach als schwierig unter den gegebenen strukturellen Bedingungen "allen [Klienten] auch gerecht zu werden". Das heißt, es wird versucht die eigene Aufmerksamkeit auf alle so zu verteilen, dass sich keiner benachteiligt fühlt: "...weil ich die [Klienten] auf gar keinen Fall vernachlässigen will." Darin ist der Wunsch enthalten, alle gleich zu behandeln, was aber im Hinblick auf die Individualität jedes Einzelnen und angesichts des zeitlichen Drucks als Wertvorstellung unerreichbar erscheint. In dieser Haltung verhaftet entsteht dann ein Konflikt, der sich durch die ganze Arbeit zieht: Die strukturellen Bedingungen lassen sich nicht mit dem individuellen Idealismus vereinbaren. Man würde gerne mehr investieren, kann es aber wegen des engen Zeitrahmens nicht. Die Frage, ob die MitarbeiterInnen zu hoch gesteckte Ziele oder Vorstellungen haben, lässt sich in diesem Kontext nur schwer stellen, weil die strukturellen Voraussetzungen es nicht zulassen, diese Vorstellungen annähernd zu entfalten.

2.4 Austausch im Team - Der Rattenschwanz

Der Austausch umfasst die Möglichkeiten der Teamkommunikation. Eine funktionierende Kommunikation im Team kann unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. Regelmäßigkeit, respektvoller konstruktiver Umgang) sehr entlastend für den Einzelnen wirken. Jedoch muss der Wille vorhanden sein, diese Sitzungen für sich und für die Arbeit in der Institution zu nutzen. Nach der Meinung der Interviewten finden die Teamsitzungen in der untersuchten Einrichtung leider "viel zu wenig" statt, als dass diese Ressource in ihrer vollen Entfaltung nutzbar gemacht werden könnte - und das macht "unzufrieden". Ursachen werden wieder im übergreifenden zeitlichen Ressourcenmangel gesehen. Deshalb wird zum Beispiel die eigene Mittagspause, "ohne diese Zeit es schwierig wäre", für einen Austausch instrumentalisiert, um das Team überhaupt stattfinden zu lassen. Dass dabei der ursprüngliche Sinn der Pause, also kurzzeitige Erholung und Regeneration, ins Wanken gerät und diese wichtige Ressource in großen Teilen weg fällt, wird als nicht ungewöhnlich betrachtet. Die Professionellen haben sich mit der Situation mehr oder minder abgefunden. Diese fast schon resignative Haltung lässt sich teilweise gut durch die oben erwähnte starke Identifikation mit der Institution und durch die Angst vor Personalabbau erklären. Zum anderen besteht in dieser engen Arbeitsstruktur offenkundig kein großer Spielraum für eine Veränderung bestehender Arbeitsprozesse.

Im Team gibt es sehr viel abzuklären, d.h. dass die Forderung die Sitzungen in konstruktiver und sachlicher Form zu halten, nachvollziehbar und schlüssig ist. Darüber hinaus sollen "Emotionen draußen bleiben". Emotionale Themen werden also als nicht-konstruktiv oder gar destruktiv erlebt? Gerade dieses Verständnis von sinnvoller Teamarbeit, dass emotionale Äußerungen in Teamsitzungen nichts zu suchen haben, veranschaulicht einen Punkt in der Zusammenarbeit, der eine Unvereinbarkeit aufweist - nämlich von strukturellen Bedingungen, in diesem Falle zeitliche Begrenzungen, und individuellen Bedürfnissen, d.h. die Möglichkeit persönliche emotionale Probleme frei zu äußern.

Die Masse an Arbeit, die sich in den angehäuften Tagesordnungspunkten der jeweiligen Teambesprechungen widerspiegelt, wird von den MitarbeiterInnen als eine Last erlebt, die nicht bewältigbar erscheint.


"Du hast das Gefühl, du schleppst einen Rattenschwanz noch hinterher (...). So das Gefühl, das ist nie fertig."


Der Rattenschwanz wird als Symbol oder Sinnbild der verschleppten akkumulierten Arbeit verwendet. Der Berg an Arbeit wird nicht kleiner. Dies ist unbefriedigend und frustrierend für jeden Einzelnen. Sei es im Team das Ziel, was man sich gemeinsam vorgenommen hat - nämlich alle Tagespunkte abzuarbeiten - nicht zu erreichen oder dass Teamsitzungen nicht genug Raum für persönliche Probleme lassen. Letzteres scheint in dieser Einrichtung nicht die Relevanz zu bekommen, die man im sozialen Bereich erwarten würde.

2.5 Supervision als mögliche Unterstützung - Die eiserne Reserve

Die MitarbeiterInnen betonen sowohl Entlastungen auf privater Ebene (Sport, Meditation, Religion, Kunst, Musik) als auch jene Ressourcen, die das direkte Arbeitsumfeld bieten kann (Fortbildungen, Weiterbildungen und gemeinsame Diskussionsrunden).

Exemplarisch für die vielen sinnvollen Möglichkeiten und Instrumente, die Raum zur gemeinsamen Diskussion und Bewältigung bestehender Probleme und Konflikte bieten und eigene Ressourcen und Kräfte wieder stärken und aktivieren können, wird hier als ein prominentes Beispiel die Supervision10 thematisiert. Sie erscheint mir in diesem Kontext sinnvoll, weil diese Unterstützungsquelle nicht nur im klinisch-psychosozialen Arbeitsumfeld, sondern auch als Entwicklungs- und Arbeitsinstrument in Wirtschaftsunternehmen weitläufigen Zuspruch und Anwendung findet. Supervision als Diskussionsinstrument ist flexibel einsetzbar, wenn es darum geht, bestimmte eingefahrene Arbeitsstrukturen gemeinsam im Kreise der Betroffenen zu analysieren und zu verändern.

Die berufliche Rehabilitation ist ein schwieriges und komplexes Tätigkeitsfeld. Es besteht ein ständiger Kontakt mit psychisch erkrankten und labilen Menschen in einem System, das sich bestimmten marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen unterordnen muss. Innerhalb dieser Strukturen gilt es Konflikte gemeinsam teamorientiert zu lösen und Strategien zu finden, die Prozesse vereinfachen und die Zusammenarbeit im Team stärken. Die MitarbeiterInnen sehen sich selbst letztlich nur als "Menschen mit unseren Stärken und Schwächen". Daher fühlen sie sich auch "nicht gefeit davor, dass sich (...) Mechanismen einschleichen, die man vielleicht selber gar nicht mehr (...) wahrnimmt" und die etwas "Ungutes und Unkontrollierbares" haben. Das heißt, es werden die eigenen Grenzen der Belastbarkeit zwar erkannt, aber nicht selten fehlt der Wille, starre und kontraproduktive Prozesse sichtbar zu machen. Auf die Frage, ob die Interviewten gerne diese Unterstützungsquelle nutzen würden, wird großer Zuspruch und Interesse signalisiert. Dabei ist die Möglichkeit der Diskussion von Klientenfällen ein zentrales Kriterium für die MitarbeiterInnen. Nach ihrer Erfahrung im psychosozialen Arbeitsfeld und nach ihrem Wissen, was dieses Instrument leisten kann, bekräftigen sie klar für sich die langfristigen positiven Folgen dieser "Kraftquelle" in einem solch komplexen Arbeitsfeld.

Nach dieser deutlichen Befürwortung verwundert es in der weiteren Betrachtung, dass die Supervision als "schwach besetzte Stelle" oder "eiserne Reserve" der Institution bezeichnet wird. Die Möglichkeit, eigene Konflikterlebnisse ausführlich mit den Kollegen zu besprechen und durch Reflexion in der Gruppe gewinnbringend zu verarbeiten, bildet in dieser Einrichtung eher die "Ausnahme" als eine etablierte Unterstützung. Gründe dafür sehen die MitarbeiterInnen in der "ewigen Mitteldiskussion". Der Mangel einer regelmäßigen Etablierung wird von allen bestätigt.

In der Interviewauswertung haben sich für mich daraus zwei wesentliche Fragen herauskristallisiert: Müssen also alle erst ihre vollen Belastungsgrenzen erreichen, damit die Institutionsleitung diese eiserne Reserve als eine sinnvolle Unterstützung in Betracht zieht? Wenn es Bedarf gibt, warum wird dieses Instrument im Hinblick auf eine nachhaltigen Verbesserung der Arbeitsstrukturen nicht eingesetzt?

Supervision ist Arbeit und erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit sich und den Kollegen. Der Wille bzw. die Bereitschaft für diese Auseinandersetzung ist bei den MitarbeiterInnen aber deutlich vorhanden. Es scheint, als seien langfristige Planung und Unterstützung einem institutionellen Konzept gewichen, dass sich rein den kurzfristigen Veränderungen auf dem Markt verschrieben hat. Dies würde bedeuten, dass aufbauend auf neoliberalistische Prinzipien Wirtschaftlichkeit und Flexibilität der Institution als ein "[soziales] Unternehmen" in letzter Konsequenz der psychischen Gesundheit des Einzelnen übergeordnet wären. Die Aussage: "das Unternehmen im Mittelpunkt" (s.o.) untermauert, dass sich dieses institutionelles Konzept auch in der Haltung der Professionellen zu ihrer Institution verfestigt hat. Meiner Ansicht nach bedarf diese Arbeitshaltung aber einer wesentlichen Ergänzung, deren Verinnerlichung nur durch eine Veränderung in der Grundhaltung der institutionellen Leitung erfolgen kann: Die Institution kann nur so viel leisten, wie der Einzelne fähig ist zu leisten. Wenn der psychischen Gesundheit der Mitarbeiter nicht mehr Gewicht beigemessen wird, dann wird es in Zukunft schwierig werden, die wachsenden Anforderungen einzuhalten. Gerade die regelmäßige Durchführung von Instrumenten, die nachhaltige Konfliktbewältigung und die Verbesserung der Arbeitsstrukturen fördern, bietet in Bezug auf die Pflege der eignen psychischen Gesundheit eine wichtige Unterstützung.

2.6 Reflexion und Selbstabgrenzung - Die Zeit zum Hinterfragen nehmen

Übergehend von der Supervision als mögliche Unterstützungsquelle können Reflexion und Selbstabgrenzung ebenfalls helfen, wenn es um die Bewältigung von Belastungssituationen in der Arbeit geht. Seine Handlungen reflektieren zu können, ist eine wesentliche Fähigkeit, um lernen zu können und um sich selbst immer wieder zu veranschaulichen, dass man in manchen Situationen anders hätte handeln können (Handlungsalternativen finden). Wie fortlaufend angemerkt wurde, besteht in der untersuchten Einrichtung ein immenser Zeitdruck, der den MitarbeiterInnen oftmals die hinterfragende Sicht auf die Dinge versperrt. Unter diesem Druck ist die Gefahr groß, "sich schnell vereinnahmen zu lassen" und somit belastende Elemente in der Arbeit nicht mehr als solche wahrzunehmen. In der Folge können sich diese dann weiter verfestigen. In vielen Situationen wird Arbeit, die nicht unbedingt einer sofortigen Reaktion bedarf, erledigt, obwohl es weitaus wichtigeres zu tun gibt. Die Professionellen ertappen sich sehr oft dabei, dass sie sich wieder auf "Nebenkriegsschauplätze" begeben haben. Es wird in der Situation "schnell bedient", ohne zunächst darauf zu achten, ob die eigene Struktur nicht ins Wanken gerät.

Folgendes Zitat zeigt die Komplexität des Arbeitsalltags und überdies ist es ein prägnantes Beispiel für mangelnde Reflexion.


"Wann hol ich ihn [= Klient, Anm. d. Verf.] mir ins Büro, natürlich in der Pause. In einer Pause, die ich eigentlich benötigen würde, um irgendwelchen Bürokram zu machen. Zwischendurch kommen sie [= Klienten, Kollegen etc., Anm. d. Verf.] klopfen, (...) klingelt das Telefon."


Wie bereits im Kapitel 2.4 Austausch im Team beschrieben wurde, werden Pausen oft für Arbeitsaufgaben, wie in diesem Fall für Klientengespräche, genutzt. Äußerst spannend ist die Aussage, wenn man die Gedankengänge genau auf die Wahrnehmung der eigenen Handlungen überprüft. Die Mitarbeiterin reflektiert im Nachhinein die Überbelastung in ihrer Pause durch Klientengespräche. Allerdings erkennt sie nicht mehr, dass sie ihre Pause eigentlich schon für andere Arbeit nutzt, nämlich für Büroarbeit. Die Pause fungiert nicht mehr als Pause von der Arbeit, sondern lediglich als Zeitfenster für angehäufte Arbeit, die erledigt werden muss. Die Pause als noch "freie Zeit" wird nicht als bewusste Pause von der Arbeit, sondern für die Arbeit genutzt, wie folgendes Zitat noch bekräftigt:


"Es ist wirklich so, dass wir eigentlich keine Pause machen, in der es nicht um Arbeit geht."


Die Pause verliert somit ihre eigentliche Bedeutung - nämlich die Möglichkeit Entlastung für sich selbst zu schaffen.

In der Reflexion ist der erste Schritt des Sich-Bewusst-Werdens über das eigene Handeln vollzogen. Die Selbstabgrenzung wäre sozusagen die Umsetzung von Gedanken in die Tat, in denen das Handlungskonzept analyisiert wurde. In diesem Kontext ist die Reflexionsfähigkeit die Grundlage für eine entlastende Abgrenzung. Das bedeutet, sich bewusst vor Überbelastung abzugrenzen und sich selbst so schützen zu können, dass der Gefahr einer Erkrankung, wie eines Burnouts, präventiv, d.h. aktiv entgegen gewirkt wird. Dies für sich zu bewerkstelligen, ist eine der schwersten Aufgaben im Arbeitsalltag. Reflexion und Selbstabgrenzung sind demnach wichtige Elemente in der subjektiven Handlungsregulation. Man sieht bei der näheren Analyse, dass deren unzulängliche Anwendung den Effekt hat, dass bestimmte Belastungen unbewusst aufrecht erhalten werden und den Arbeitsprozess weiterhin erschweren. Selbst die eigene Pause als "Kraftquelle" wird dann für andere Zwecke genutzt.

2.7 Der Gewissenskonflikt - Ein Eiertanz in zwei Richtungen

Zusammenfassend stellt sich der Grundkonflikt zwischen individuellen Bedürfnissen und strukturellen Anforderungen als Zentrum der arbeitsorganisatorischen Misère dar. Als markantes Beispiel dient der Fall Krankheit und Vertretung. In der folgenden Beschreibung einer realen Situation wird dieser Konflikt zwischen der strukturellen und der individuellen Ebene mit seinen Wechselwirkungen und systemischen Verknüpfungen dargestellt. Es zeigt sich auch, wie diese Bedingungen das Gewissen des Einzelnen belasten können.

Im Zuge bildungspolitischer Maßnahmen und Subventionskürzungen seitens der Kostenträger haben sich die finanziellen Mittel der Institution drastisch minimiert. Die Institutionsleitung reagiert mit Personalabbau, was für die verbleibenden Mitarbeiter bedeutet, dass sie von nun an dort Alleinverantwortung tragen, wo sie früher noch einen Kollegen an ihrer Seite hatten (Betreuungsschlüssel damals 2:16, heute 1:16). Gleichzeitig sind die Anforderungen an den Einzelnen stark angestiegen. Die Auswirkungen dieses wirtschaftlich geprägten Strukturwandels kommen in all ihrer Deutlichkeit im Falle einer Krankheitsvertretung zum Vorschein. Bei einer Krankheitsvertretung entstehen weitere zeitliche "Engpässe" - zusätzlich zu den schon bestehenden. Die Vertretung wird oft von jemandem übernommen, der im eigentlichen Sinne in einem anderen Bereich der Institution tätig ist, was wiederum in seinem eigenen Aufgabenspektrum zu Ressourcenmangel führt11. Betrachtet man diese Ereignis-Kette aus der Sicht des Individuums12, in der das subjektive Erleben des Einzelnen im Fokus steht, dann lässt sich zunächst erkennen, dass sich die MitarbeiterInnen mit einem Gewissenskonflikt konfrontiert sehen. Sie haben das immanente Wissen, dass ihr Ausfall Mehr-Arbeit, d.h. eine wesentliche Mehr-Belastung für ihre Kollegen nach sich zieht. Die Identifikation13 mit der Institution trägt beträchtlich zu der Entstehung dieses Konfliktes bei. Die Interviewten haben sowohl den hohen Anspruch für die Klienten und für die Institution sorgen zu müssen, als auch qualitativ gute und verantwortungsvolle Arbeit zu leisten. Sie wollen den Anforderungen gerecht werden und übersehen, dass sie auch ihre eigenen Belastungsgrenzen haben. Um diese Anforderungen zu erfüllen, werden sie in die Lage gebracht, ihr Limit zu überschreiten. Eine Mitarbeiterin meint diesbezüglich: "Ich durfte ja nie krank sein". Dies macht den enormen Druck sichtbar, den sich die Professionellen auferlegt haben. Der Druck bleibt einerseits aufgrund einer dauerhaften Überbeanspruchung bei allen Kollegen bestehen, andererseits wird der Ausfall eines erkrankten Kollegen in der Institution generell nur "zähneknirschend" akzeptiert. Sonst könnte der Erkrankte ohne Gewissensbisse und Legitimationsdruck seine Krankheit so lange auskurieren, wie es eben nach den eigenen Regenerationsbedingungen dauert. Solche Bedingungen fordern über längere Erkrankungsphasen geradezu heraus. Die Überbelastung entsteht für alle Beteiligten - bei den real Erkrankten und bei den Kollegen, die Vertretung machen müssen. So betrachtet kann dies als klare Abwärtsspirale psychischen und somatischen Befindens interpretiert werden. Man kann sich die Folgen für alle vorstellen, wenn zur gleichen Zeit zwei Kollegen ausfallen - was nach Aussagen der Interviewten schon des Öfteren vorkam.

Die Koordination bei krankheitsbedingtem Ausfall ist weder durch die Leitung noch durch das Team eindeutig geregelt. Die strukturelle Abstimmung wird als "Notlösung" gesehen. Angst vor Reputations- und Qualitätsverlust nach außen hin, also vor allem gegenüber den Kostenträgern und gegenüber anderen psychosozialen Einrichtungen, wird von allen Interviewten geäußert.

Die Klienten sollen von diesem Konflikt möglichst fern gehalten werden. Auch aus dem professionellen Anspruch heraus, das Klientel in seiner Entwicklung weitestgehend zu schützen. Einige Professionelle können hier eine gute Trennlinie ziehen ("und bin so wie immer"), andere wiederum nicht. Es ist allerdings in diesem sensiblen Feld sehr wahrscheinlich, dass dieser strukturell bedingte Druck auf die inhaltliche Arbeit und die Beziehung mit den Klienten Einfluss hat. Gerade weil ein subtiles Gespür für Situationen und das Vermitteln von emotionaler Wertschätzung und Vertrauen für den Beziehungsaufbau mit den Klienten ("Für die Klienten sorgen") unverzichtbar sind.

Die Betroffenen haben ihre eigene Bezeichnung für diesen Grundkonflikt gefunden: "Ein Eiertanz in zwei Richtungen". Eine wacklige Angelegenheit - zwischen der Erfüllung struktureller Anforderungen und der Befriedigung individueller Bedürfnisse oder Ansprüche. Dabei spielen die Belastungen in der Beziehung mit den Klienten eine eher untergeordnete Rolle. Die Kernelemente der Grundproblematik sind die oben beschriebenen strukturellen Bedingungen und die mit der Institution eng verknüpften individuellen Haltungen und Werte, die sich entwickelt haben. In diesem Gefüge von Pflichten und Werten besteht die Gefahr, dass zentrale Maximen sozialer Arbeit, d.h. die Arbeit mit und für den Klienten, ihre Bedeutung verlieren, weil aufgrund des übergreifenden Grundkonflikts diese ideologischen Helfer-Ansprüche an den Arbeitsansatz nicht mehr haltbar bzw. umsetzbar sind (vgl. Kap. 2.1: Im Sinne der Institution als Ersatz oder Erweiterung bestehender Maximen).

3. Ist das System an allem schuld?

Die angeführten Beispiele für die Konflikte im Arbeitsprozess zeigen, wie schwer es die MitarbeiterInnen in der untersuchten psychosozialen Institution haben, sich mit den gegebenen Bedingungen so zu arrangieren, dass die eigene Arbeit nicht mit dem Erleben dauerhafter Überbelastung in Verbindung steht. Großen Anteil an deren Hilflosigkeit und Belastung hat ein System, das den Sozialbereich einer stetigen Ökonomisierung unterzogen hat. Dies hatte eine Forcierung wettbewerbsfördernde Maßnahmen, sowie eine Öffnung des Marktes und eine Ausweitung von Projektfinanzierungen zur Folge - sozusagen eine Verbetriebswirtschaftlichung psychosozialer Arbeit14. Die mangelnde Planbarkeit der Finanzierung ergibt sich aus der arbeitsorganisatorischen Neuausrichtung und den Mittelkürzungen (Eichinger, 2007).

Die Ergebnisse dieser Untersuchung bestätigend, proklamiert Eichinger (2007), dass das wirtschaftliche Risiko zunehmend an den einzelnen Mitarbeiter weitergegeben wird. Moldaschl (1998) spricht von einer "Internalisierung des Marktes", die der einzelne Arbeitnehmer vollzieht. In der Konsequenz wird das Subjekt zu vermehrt autonomem Handeln aufgefordert15. Die individuelle Verantwortung16 ist an eine Zunahme von Instrumenten der Qualitätssicherung und -steigerung gekoppelt, die die Handlungsweisen der Professionellen transparenter machen sollen, aber auch permanenter Kontrolle unterziehen. Die Professionellen erscheinen in Anbetracht gestiegener Transparenz individueller Leistung als "gläserne Beschäftigte" (Eichinger, 2007, S. 34).

In diesem Zusammenhang haben Voß und Pongratz (1998) in ihrem Begriff Arbeitskraftunternehmer einen Typus formuliert, der das Marktgeschehen und somit auch neoliberale Funktionsweisen verinnerlicht hat und sich seinen Fähigkeiten entsprechend selbst vermarkten muss. Dies bedarf eines hohen Maßes an Selbstdisziplinierung; die Professionellen werden zu scheinselbständigen Angestellten oder Unternehmern ihrer selbst (vgl. Pongratz & Voß, 2003, Eichinger, 2007). Sie müssen sich in diesem Zuge multifunktionales Arbeiten aneignen (vgl. Schoof, 2008), um die verschiedenen Tätigkeitsbereiche annähernd bedienen zu können. Die subjektive Wahrnehmung einer Interviewten als eine Art dauerhaftes Tanzen auf fünf Hochzeiten verdeutlicht dies. Neben einer (scheinbaren) Erweiterung des individuellen Handlungsspielraums verdichtet sich die Arbeit für jeden Einzelnen. Die Arbeitsintensität hat sich im Rahmen der Restrukturierung (Mittelkürzungen und Personalabbau) deutlich erhöht, ohne auf die individuelle Belastbarkeit des Einzelnen Rücksicht zu nehmen. Anders ausgedrückt: "Es scheint, als sei die Intensität der Preis der Autonomie." (Brödner, 2002, S. 4).

Dieser Zustand der Erweiterung individueller Verantwortung als eine Art Scheinselbständigkeit gepaart mit einer zusätzlicher Arbeitsverdichtung schürt Ängste vor Arbeitsplatzverlust - und damit verbundene sozialen Existenzängste. Eichinger (2007) beschreibt das Beispiel einer stationären Einrichtung eines freien Trägers, in der nach stetem Personalabbau und jahrelanger Arbeitsverdichtung letztendlich aus Sorge um Qualitätsverlust eine Personalaufstockung erstritten wurde. Rückblickend wird dieser Erfolg von einer Betroffenen lediglich mit "Glück gehabt" kommentiert. In dieser Reaktion sieht Eichinger eine Hilflosigkeit, die als Selbstentmächtigung bzw. Mystifizierung der real prekären Situation interpretiert wird. Die eigene Arbeitssituation wird dabei gegenüber schlechteren Bedingungen aufgewertet, was eine Entkatastrophisierung begünstigt. Dies erinnert an die Wirkung der erwähnten starken Identifikation der Interviewten mit ihrer Institution, die als kompensatorischer Filter die Wahrnehmung struktureller Problematiken trübt bzw. ihr Ausmaß verzerrt darstellt. Dahinter steckt ein hoher Idealismus in Bezug auf die eigene Arbeit. Man will hohe Qualität gewährleisten und stößt immer wieder auf Hindernisse, die sich durch die Strukturierung ergeben. Fengler (2001) sieht in einer hohen Idealsierung der Arbeit und der Institution einen frühen Ausgangspunkt für spätere Burnout-Entwicklungen. Eine neuere Studie hat eine Verbindung zwischen dieser idealsierten Rollenidentität und erhöhtem persönlichen Stress (in der Folge ein erhöhtes Risiko der Entwicklung eines Burnouts oder einer Depression) festgestellt. Demnach hemmt dieses Ideal - das sich in vielen Helfer-Berufen zeigt - die Wahrscheinlichkeit, später einmal selbst wegen seiner eigenen Belastungen Hilfe aufzusuchen (Siebert & Siebert, 2007).

Raum und vor allem Zeit zur gemeinsamen Reflexion im Team (z.B. durch ein Instrument, wie das der Supervision) könnten solchen Konsequenzen entgegenwirken. Leider wird gerade das Pochen auf einen starken Helfer-Idealismus als Relativierung oder Bagatellisierung der Zustände benutzt, um das Team zusammen zu halten. Eichinger (2007) zitiert dazu Parolen von Professionellen, wie "wir ziehen alle an einem Strang", "wir schwimmen alle auf der gleichen Wellenlinie" (Eichinger, 2007, S. 35), die den Zweck erfüllen sollen, möglichst schnell Konflikte im Team zu bereinigen.  Die Wirkung solcher Aussagen wäre durchaus eine weitere Untersuchung wert. Meiner Ansicht nach kaschieren solche Parolen jedoch nur das eigentliche Problem und verhindern, dass man sich wirklich gemeinsam damit auseinandersetzt.

In folgender Aussage lässt sich ebenfalls der Versuch erkennen, interne Konflikte möglichst einfach durch die Betonung eines obligatorischen Helfer-Idealismus klein zu reden bzw. zu lösen:


"Man muss dieses Helfer-Ideal schon mitbringen." (Zitat aus der Diskussionsrunde der MitarbeiterInnen im Anschluss an die Ergebnispräsentation der Studie von Schoof, 2008).


Die Äußerung kam zustande, als es in der gemeinsamen Diskussion unter den MitarbeiterInnen um die Frage ging, warum die Supervision in der untersuchten Einrichtung eben nur als eiserne Reserve Verwendung findet. Weiterführend kann man den obigen Satz durch die Worte ergänzen: "Sonst hat man in der psychosozialen Arbeit nichts verloren" [Anm. Verf.].

Dies alles legt offen dar, wie schwer es mittlerweile ist, sich als Professionelle/r im psychosozialen Feld zu positionieren.

4. Fazit und Ausblick

Die beschriebenen Einblicke in die psychosoziale Praxis einer Instiution lassen trotz all ihrer Spezifität einige Gemeinsamkeiten zu anderen Forschungsergebnissen erkennen (vgl. Eichinger, 2007). Sie unterstreichen die dringende Notwendigkeit, die erlebten Belastungen als Warnsignale und Hilferufe ernst zu nehmen und die Augen davor nicht zu verschließen. Eichinger (2007) proklamiert, wie wichtig es ist, neben inhaltlich-fachlichen Fragen die jeweiligen strukturellen Bedingungen ausführlich zu hinterfragen.

Eine interessante Tendenz ist, wie neoliberale Denkmuster, vor allem in Bezug auf die allgegenwärtige Konkurrenzfähigkeit, in der psychosozialen Praxis Einzug gehalten haben. Der Strukturwandel stellt sich somit als eine Herausforderung für Praxis und Forschung dar, die ohne Verzögerung angenommen werden sollte. Eine entscheidende Rolle wird auf institutioneller Ebene den Führungs- bzw. Leitungskräften zuteil, die einen Rahmen schaffen müssen, der ihren MitarbeiterInnen qualitative Arbeit unter moderaten Bedingungen ermöglicht - und nicht unter Bedingungen, die Arbeitsstress und -belastungen als obligatorisches Übel voraussetzen. Bei fehlender Unterstützung der Leitung können Arbeitssituationen entstehen, die zu einem erhöhten Burnoutrisiko bzw. Risiko der beruflichen Belastung führen (vgl. Enzmann, 1996, Fengler, 2001).

Modellen, die an dem Konkurrenzkampf als feststehendes Faktum der menschlichen Natur und ihrer Interaktionsmuster festhalten, will ich mit Nachdruck entgegenhalten, dass es in der psychosozialen Praxis in erster Linie nicht darum geht, diesen Konkurrenzkampf zwischen den Institutionen zu schüren, sondern gemeinsam zu operieren und gemeinsame Lösungen zu finden.
In der untersuchten Einrichtung konnte festgestellt werden, dass auf den Druck des Konkurrenzsystems, anstatt mit gemeinsamen Operieren und wirklicher qualitativer Entwicklung, mit Quantität - also einer Erweiterung des Angebots an Hilfemöglichkeiten für die Klienten - reagiert wird. Alle wollen noch mehr Alternativen anbieten, um die Konkurrenz zu überholen und attraktiv zu bleiben. Ungeachtet dessen, ob den MitarbeiterInnen dabei zu viel an Last aufgebürdet wird oder nicht.

Für Begründungen dieses generellen Strukturwandels werden gerne darwinistische Konzepte als Grundlage genommen, die dem Konkurrenzdenken den notwendigen wissenschaftlichen Zunder geben sollen. Im Unterschied dazu wird in neueren kritischen Überlegungen17 anschaulich beschrieben, wie das Streben des Menschen nach Zuwendung und Kooperation den Kern menschlichen Daseins bildet. Also Kooperation, statt Kampf und Konkurrenz! Vor allem in Strukturen, wo Menschen Verantwortung für andere tragen, z. B. als Führungspersonal oder auch im Gesundheitswesen, ist die Fähigkeit, Beziehungen zu gestalten und miteinander zu kooperieren eine unentbehrliche Voraussetzung für eine progressive weiterbringende Entwicklung. Und gelingende Beziehungen und Kooperation erzeugen Motivation, die eine unverzichtbare Quelle für die Arbeitswelt repräsentiert (vgl. Bauer, 2007).

Durch die strukturellen Veränderungen und durch eine Zunahme an psychosozialen Einrichtungen - die sich mittlerweile als Dienstleister bestimmter sozialer Produkte verstehen - hat sich die Situation für die einzelnen Institutionen zwar verschärft, andererseits bietet diese Entwicklung aber auch Chancen für die psychosozialen Einrichtungen, sich in ihrem Hilfeangebot untereinander besser abzustimmen. Dies würde beispielsweise eine zunehmende Spezialisierung in bestimmten Fachbereichen fördern. In der untersuchten Rehabilitationseinrichtung würde das bedeuten, dass die MitarbeiterInnen mehr Zeit für Arbeit haben, die ihr eigentliches Fachgebiet darstellt, und sich nicht mit organisatorischen Verpflichtungen überhäufen lassen (vgl. Kap. 2.2). Die MitarbeiterInnen könnten sich auf wesentliche, individuell gelernte Qualitäten konzentrieren, diese weiterentwickeln und so intensiver und effektiver mit dem und für den Klienten arbeiten. Der praktische Alltag gestaltet sich natürlich auf eine sehr subtile und komplexe Art und Weise. Das ideale Rezept scheint es nicht zu geben. Nichtsdestotrotz kann  man sich gemeinsam in seinem Handeln, in seiner Institution immer wieder hinterfragen, ob die vorhandenen Strukturen und Handlungskonzepte nicht optimiert oder verändert werden können - mit dem Anspruch, die Arbeitsrealität und vor allem die  psychische Belastbarkeit der MitarbeiterInnen nicht aus den Augen zu verlieren. Meine Intention ist es, mit diesem Beitrag zum Nachdenken anzuregen und das Feuer der gemeinsamen Diskussion und Kritik nicht ausgehen zu lassen.

Literatur

Bauer, J. (2007). Prinzip Menschlichkeit. Hamburg: Hoffmann und Campe Verlag.

Beck, U. (1986). Risikogesellschaft. Auf dem Weg in eine andere Moderne. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.

Brie, M. (2005). Allianzen im Kampf gegen den Neoliberalismus. [Online] Verfügbar unter: http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=5142 [Zugriff: 15.05.09].

Brödner, P. (2002). Macht Arbeit wieder krank? Flexibilität und nachhaltige Gestaltung von Arbeit. Gekürzte Fassung eines Trendreports im Rahmen eines Projekts "Identifizierung und Bilanzierung erfolgreicher Veränderungen in der Arbeitsgestaltung und  Unternehmensorganisation (IBIS)".Orginalfassung In P. Brödner & M. Knuth (Hrsg.), Nachhaltige Arbeitsgestaltung- Trendreports zur Entwicklung und Nutzung von Humanressourcen. Hampp.

Eichinger, U. (2007). Der neoliberale Wandel (psycho-)sozialer Praxis aus der Perspektive der Beschäftigten. Zwischenergebnisse einer qualitativen Befragung. In U. Osterkamp (Hrsg.), Forum Kritische Psychologie, 51, 25-38.

Enzmann, D. (1996). Gestresst, erschöpft oder ausgebrannt? Einflüsse von Arbeitssituation, Empathie und Coping auf den Burnoutprozess. München.

Fengler, J. (2001). Helfen macht müde. Zur Analyse und Bewältigung von Burnout und beruflicher Deformation (6. Aufl.). Bonn: Pfeiffer bei Klett-Cotta.

Geisler, H. (2004). Die Gier nach Geld zerfrisst den Herrschern ihre Gehirne. Die Zeit (11.11.04), S. 10.

Glaser, B. & Strauss, A. L. (1998). Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: Huber.

Green, D. (1995). Silent Revolution: The Rise Of Markets And Economics. In: Latin America. Biddles Ltd., Guilford, King's Lynn.
Herrmann, U. (2007). Die Erfindung der Angst. TAZ, die Tageszeitung (16.08.2007), S. 5.

Jaeggi, E., Faas, A. & Mruck, K. (1998). Denkverbote gibt es nicht! Vorschlag zur interpretativen Auswertung kommunikativ gewonnener Daten (2. überarb. Fassung). Forschungsbericht aus der Abteilung Psychologie im Institut für Sozialwissenschaften der Technischen Universität Berlin, Nr. 98-2.

Kardoff, E. von & Ohlbrecht, H. (2007). Die Bedeutung der Arbeit für psychisch kranke Menschen im gesellschaftlichen Wandel - soziologische Anmerkungen zur beruflichen Rehabilitation. Heilpädagogik online, 6 (3), 17-53. Verfügbar unter: http://www.heilpaedagogikonline.com/2006/heilpaedagogik_online_0306.pdf [Zugriff: 03.04.09].

Keupp, H. (2007). Sozialpsychiatrie im Gegenwind. Ein Interview. In U. Osterkamp (Hrsg.), Forum Kritische Psychologie, 51, 13-25.

Moldaschl, M. (1998). Internalisierung des Marktes. Neue Unternehmensstrategien und qualifizierte Angestellte. In IfS, INIFES, ISF, SOFI (Hrsg.), Jahrbuch Sozialwissenschaftliche Technikberichterstattung 1997, Schwerpunkt: Moderne Dienstleistungswelten (S. 197-250). Berlin: edition sigma.

Moldaschl, M. & Sauer, D. (2000). Internalisierung des Marktes - Zur neuen Dialektik von Kooperation und Herrschaft. In H. Minssen (Hrsg.), Begrenzte Entgrenzungen. Wandlungen von Organisation und Arbeit (S. 205-225). Berlin: edition sigma.

Pörksen, N. (2002). Anforderungen an Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben. In R. Schmidt-Zabel & N. Pörksen (Hrsg.), Teilhabe am Arbeitsleben- Arbeit und Beschäftigung für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen (S. 35-48). Bonn: Psychiatrie-Verlag,

Rawls, J. (1994). Eine Theorie der Gerechtigkeit. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Verlag.

Schoof, J. (2008). "Ein Eiertanz in zwei Richtungen"- Eine qualitative Studie zum Belastungserleben professioneller Mitarbeiter in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation psychisch kranker junger Erwachsener. Diplomarbeit. Freien Universität Berlin, Fachbereich Erziehungswissenschaften und Psychologie.

Siebert, D. C. & Siebert, C. F. (2007). Help Seeking Among Helping Professionals: A Role Identity Perspective. American Journal of Orthopsychiatry, 77(1), 49-55.

Siegrist, J. (2007). Krankmachende Aspekte der modernen Arbeitswelt. DGPPN Kongress Berlin 23.11.2007. Psychische Gesundheit und Arbeitswelt: Macht uns die Arbeit krank? Institut für Medizinische Soziologie, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Verfügbar unter: http://www.dgppn.de [Zugriff: 25.11.07].

Witzel, A. (2000). Das problemzentrierte Interview. Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research [On-line Journal], 1(1).Verfügbar unter: http://qualitative-research.net/fqs [Zugriff: 15.06.2007].

Wulff, E. (2007). Der marktwirtschaftliche Überfall auf die Psychiatrie. Zum Vorrücken des neoliberalen Zeit- und Sprachregimes. In U. Osterkamp (Hrsg.), Forum Kritische Psychologie, 51, 6-13.

Voß, G. G. & Pongratz, H. J. (1998). Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft? Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 50, 131-158.

Endnoten

  1. Mark Siemons beschreibt diesen Zustand treffend in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung: "Bisher konnten sich Arbeitslose in gewisser Weise als Angestellte der großen Firma Bundesrepublik vorkommen, die alle Bürger mit zwar unterschiedlichen, aber immer noch vergleichbaren Konsum- und Lebensstilmöglichkeiten ausstattete; heute müssen sich auch Angestelle als potenielle Arbeitslose fühlen, die jederzeit aus der gewohnten Lebenswelt herausfallen können." (Brie, 2007).
  2. Gemeint sind hierbei Berufe der psychosozialen Beratung, Betreuung und Versorgung - vor allem ErzieherInnen, SozialpädagogInnen, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen und PsychologInnen.
  3. Das Recht auf Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und am Arbeitsleben wurde seit 2001 im SGB IX fest verankert (vgl. Pörksen, 2002, Keupp, 2007).
  4. Zwischen 1989 - 2002 sind Teilzeitstellen um 325% im Arbeitsbereich der Sozialen Arbeit angestiegen (absolut 23% aller Stellen). Dies kann man auch als Folge des zunehmenden Wettbewerbs in diesem Arbeitsumfeld und des Rückgangs öffentlicher Subventionen betrachten (vgl. Eichinger, 2007).
  5. Ein Kommentar Admiral Merinos', einem Mitglied der Militärjunta in Chile aus der Zeit, als der Neoliberalismus in Chile seine Umsetzung fand, schildert dieses konkurrenzüberladene Denken in all seiner Deutlichkeit: "Let fall who must fall. Such is a jungle (...) of economic life. A jungle of savage beasts, where he who can kill the one next to him, kills him. That is reality." (Green, 1995, S.155).
  6. Ausführliche Angaben zur Datengenerierung sind aus der qualitativen Studie zum Belastungserleben professioneller Mitarbeiter in einer Einrichtung der beruflichen Rehabilitation psychisch kranker junger Erwachsener (Schoof, 2008) zu entnehmen.
  7. WICHTIGE LESEANLEITUNG: Im gesamten Kapitel 2 beziehen sich alle Zitate oder Begriffe in "Anführungszeichen ohne Quellennachweis" auf Interviewauszüge mit den Professionellen der beruflichen Rehabilitation. Längere Interviewauszüge werden eingerückt hervorgehoben.
  8. Für diese Art zu Arbeiten wählte ich den Begriff "multifunktionales Arbeiten" (vgl. Schoof, 2008, S. 79).
  9. Die Aussage "nicht berechenbar" lässt sich in diesem Kontext auch unter dem Gesichtspunkt diskutieren, dass Arbeitsprozesse, die in der Interaktion mit dem und für den Klient ablaufen, keine Berechnung bedürfen, sondern vielmehr Organisation. Der Klient ist in seinem Handeln eben nicht nur eine berechenbare Einheit oder Konstante.
  10. Die Möglichkeiten einer Supervision als soziale Unterstützung werden ausführlich in Fengler (2001) diskutiert.
  11. Und weiter besteht die Frage, ob diese Vertretungskraft aus einem anderen Bereich durch ihr Wirken auch die bestehende Qualität in der Arbeit, d.h. auch in den Beziehungen mit den Klienten halten kann.
  12. Ich nenne diese Perspektive in meiner Forschungsarbeit die "individuelle Handlungsebene”
  13. Die Interviewten identifizieren sich mit ihrer Institution, was bedeutet, dass sie auch deren finanzielle Sorgen internalisiert haben.
  14. Wulff (2007) kritisiert den Überfall eines neoliberalen Zeit- und Sprachregimes auf die Psychiatrie. Die Übernahme von Begriffen der Wirtschaft in den psychosozialen Sprachgebrauch untermauert auf eine andere Art und Weise die Adaption von marktwirtschaftlichen Prinzipien. So wurden aus den Professionellen im Feld der psychosozialen Arbeit schnell Anbieter von Leistungen, Patienten zu deren Kunden oder Klienten. Ebenso haben sich Soziale Einrichtungen in "soziale Unternehmen" (Eichinger 2007, S. 27) umgestaltet.
  15. Vgl. "Subjektivierung der Arbeit" (Moldaschl 1998, Sauer & Moldaschl, 2000).
  16. Diese Verantwortung wird durch Belastungsfaktoren bestärkt auch als reine Alleinverantwortung (Schoof, 2008) erlebt.
  17. Diese Ansätze finden mittlerweile reiche wissenschaftliche Unterstützung durch unterschiedlichste Investigationsbereiche der Neuropsychologie und der Wirtschaftspsychologie (vgl. Bauer, 2007).

Autor

Johannes Schoof
Öffnet ein Fenster zum Versenden einer E-Mailsennahrones@bitte-keinen-spam-googlemail.com

Johannes Schoof ist Psychologe und arbeitet derzeit in Ecuador im Hospital de Especialidades Eugenio Espejo der Hauptstadt Quito.



alttext